In auffällig vielen Titeln von Walsers Romanen kommt das Wort „Liebe“ vor: Lebenslauf der Liebe, Augenblick der Liebe und Ein liebender Mann. In dieser Untersuchung wird eine diachrone Beleuchtung von Novellen und Romanen Walsers im Hinblick auf das Thema Liebe und Ehe vorgenommen. Die Erscheinungszeit seiner Texte umfasst mittlerweile eine Zeitspanne von mehr als einem halben Jahrhundert, und seine Werke sind in den Kontext gesellschaftlicher Umstände und moralisch-ethischer Implikationen eingebettet. So gestaltet beispielsweise Ehen in Philipsburg die Aufsteigermentalität der Nachkriegszeit, die einen Backlash für die Situation von Frauen darstellte. Ein fliehendes Pferd (1978) verarbeitet die sogenannte Midlifecrisis der Siebziger, Ohne einander (1993) schildert die Emanzipation der Protagonistinnen und der Roman Lebenslauf der Liebe (2002) konstruiert u.a. eine Ehe zwischen Eheleuten mit verschiedenen Religionen, dem Christentum und dem Islam. Lassen sich deswegen auch veränderte Konzepte von Ehe und Liebe feststellen, oder gibt es in diesem umfassenden Opus dennoch wiederkehrende Gedankenfiguren und Grundmuster?